Genealogie Härting
Pegau um 1625
Härting
Namenkunde
E in sehr interessantes Gebiet im Rahmen der Familiengeschichtsforschung ist die Namenkunde (Onomastik). Mit ihrer Hilfe ist es möglich, auch über die heutigen allgemeinen familiengeschichtlichen Quellen hinaus, Rückschlüsse auf das Verbreitungsgebiet 1 und damit auf die Herkunft eines Namensträgers zu schließen. In Deutschland wurde der Familienname (FN) erst seit dem 12. Jahrhundert allmählich gebräuchlich. Bis dahin waren nur Rufnamen bzw. Vollnamen wie z. B. Hardus , Harto usw. verbreitet, die damals bei der geringen Bevölkerungsdichte als Unterscheidungsmerkmal ausreichten. Gebildet wurden die FN überwiegend aus Personen-, Tier-, Pflanzen-, Haus-, Hof-, Flur-, Orts- und Berufsnamen. Am weitesten zurück führen die Orte mit dem Suffix -ing, die in der Regel aus Personennamen ( Patronymikum ) entstanden sind. Eine große Bedeutung bei der Bildung der FN hatte die mittelalterliche deutsche Ostbesiedelung im 8. bis 14. Jahrhundert und auch die Entfaltung der Städte, die mit einer starken Binnenwanderung verbunden waren und dadurch die Namens- bildung besonders nach Berufen und Herkunftsorten, wie z. B. Pertholt de Hartingen (Berthold von Harting), begünstigte. Ha(ä)rting ist ein kleiner Ort in Bayern, drei Kilometer südöstlich von Regensburg entfernt.
1 Verein für Computergenealogie e. V., Dortmund. 2 Censualen (Zensualen) sind unfreie leibeigene Personen, die zinspflichtig waren. Nach dem Zensualrecht hatten die Personen einen Zins (Abgaben, Pachtzins) an den Grundherrn zu zahlen. 3 Vgl. O. Dobenecker, 4. Band (1267 - 1288) und P. Böhme, Urkundenbuch des Klosters Pforte (1351 - 1500).
Leider unterlag der FN jahrhundertlang einem ständigen Namenswechsel. So wurde der FN unter anderem in Deutschland auch häufig mit dem Besitz oder dem Wohnhaus gewechselt. Erst seit dem 17. Jahrhundert wurde der Namenswechsel unterbunden und der FN allmählich festgeschrieben. Ein weiteres Problem gab es bei der Namensänderung durch die unterschiedliche Schreibweise, die leider bis weit in das 19. Jahrhundert zulässig war. Die Eintragung der FN in Urkunden und Registern erfolgte fast nie nach Einsicht urkundlicher Unterlagen, sondern nach mündlicher Angabe, so wie es der Schreiber verstand. In einem Erbkaufvertrag über drei Acker Feld vom 11. März 1659 kommt der FN Härting in drei Vari- ationen vor. Im Text des Amtsschreibers von Pegau wird der Käufer einmal als Glorius Härting und an anderer Stelle als Glorio Härtingen geschrieben, während er selbst mit eigener Hand als Glorius Herttingk unterzeichnet. Mit Hilfe der Namensforschung habe ich nun versucht, über die allgemeinen familiengeschichtlichen Quellen hinaus, die geschichtliche Entwicklung des FN Härting und somit die vermutliche Herkunft meiner Vorfahren zu ermitteln.
Der Ort Harting 3 km süd-östlich von Regensburg entfernt (Kartenausschnitt von 1858)
Ausschnitt aus dem Orts-Lexikon von Deutschland 1868 mit dem Ortsnamen Härting
Erbkaufvertrag vom 11. März 1659, in dem der gleiche Name in drei verschiedenen Schreibweisen wie: Glorius Härting, Glorio Härtingen, Glorius Herttingk vorgefunden wurde
Die aus Hart/Hard , got. H ardus gebildeten Personennamen finden wir im westfränkischen Raum bereits im 6. Jahrhundert unter den häufigen Namen Leod ard us , Med ard us , Got hard us usw. bis in das 12. Jahrhundert wieder. Der gotische Stamm- name Hardus soll sogar schon im 3. Jahrhundert als Eigen- name nachweisbar sein. Aus den althochdeutschen Vollnamen Ardo/Harto bildeten sich allmählich die neuhochdeutschen FN wie z.B.: . > Hartes-Harden-Herdh(e)-Heerdt-Hört(h) mit den patronymischen Ableitungen: > Hart(d)ung-Harti(n)g-Herding-Herti(n)g-Härtig und den mundartlichen Verformungen: > Harding-Hartingk-Hert(t)ingk-Haerting-Härdtingk- Härttingk- Härting .
ßend aus dem germanischen Raum Bojohaemum (Böhmen) in Raetia (Bayern) niederließen, zurückzuführen sind. Durch neuere Erkenntnisse in der archäologischen Forschung waren es markomannische Südwestböhmen, die sich vor allem in den Flussräumen nördlich der Donau um Regensburg, also auch in dem Gebiet des heutigen Ortes Harting ansiedelten. In der Mitte des 6. Jahrhunderts verschwandt der Begriff Raetien , der seit dem 1. Jahrhundert römische Provinz war, und durch Baiuvari , Männer aus dem Land Baia (Böhmen) ersetzt wurde. Bei uns in Deutschland kommen also die auf -ing endenden Sippennamen besonders auffallend in Schwaben und Bayern vor. Hier tritt das Suffix -ing in förmlichen -ing -Haufen und noch mehr in -ing -Linien angeordnet, so am Rande der großen Flusstäler, überhaupt mit Vorliebe im flachen und fruchtbaren Lande auf.
Einige -ing-Orte, -ing-Linien und -ing-Haufen in der Münchener Umgebung
Der Ort Harting bei Regensburg wurde urkundlich schon 863/864 erwähnt, als der Edle Arnedo sein Eigen zu Hartinga (Siedlung bei Regensburg) gegen ein Lehen zu Tann (Siedlung bei Regensburg) verkaufte. Unter Heinrich I., der als König 919 die fünf Stammesherzogtümer Sachsen, Thüringen, Franken, Schwaben, Bayern und 925 Lothringen vereinigte, wurde die Wiedergewinnung des deutschen Ostens, das bis zu Beginn der Völkerwanderung 375 n.Chr. bereits durch germanische Stämme wie: Langobarden, Semonen, Sueben (Schwaben), Markomannen (Bajuwaren), Vandalen usw. besiedelt war, eingeleitet. Heinrich I. schirmte ebenfalls das Land im Osten gegen die Einfälle der West- Slawen (Sorben und Wenden) und Magyaren (Ungarn) ab und errichtete nicht nur Grenzmarken, sondern befestigte seine Grenzen durch Reichsburgen wie z. B. Groitzsch ( Wiprechtsburg) , Leipzig ( Pleißenburg ) , Altenburg usw., in deren Schutzbereich neue Städte gegründet wurden. Unter ihm entstand auch in dem durch Slawen besiedelten Gebiet die Marken Zeitz, Merseburg und Meißen, das spätere Sachsen. Die bereits schon im 8. Jahrhundert allmählich beginnende fränkisch-deutsche, bäuerliche Besiedelung des Ostens wurde nun unter Herzog Lothar von Sachsen, Graf Wiprecht II. von Groitzsch , Herzog Heinrich dem Löwen von Sachsen und durch die Missionsarbeit der Klöster verstärkt vorgenommen. In den Anales Pegavienses zum Jahre 1104 wird berichtet, dass Graf Wiprecht II. von Groitzsch die ausgedehnten Waldgebiete zwischen den Flüssen Schnauder, Wyhra und Mulde mit fränkischen Kolonisten besetzte, die er selbst in großer Anzahl aus der Gegend um Regensburg herbeiholte. Auch das Kloster St. Emmeram in Regensburg war schon Ende des 8. Jahrhunderts ein Zentrum für Missionsarbeit in dem Slawengebiet zwischen Saale und Elster. Etwa zu dieser Zeit finden wir in den Urkunden des Hochstifts Regensburg und des Klosters St. Emmeram den Nachweis von einigen Ha(e)rting-Namensträgern, die in dem bayrischen Ort Ha(ä)rting bei Regensburg etwa 125 Jahre ansässig waren, wie z. B.: > Berthold von Harting und Otto von Harting (1095 - 1120).
Familiengeschichtsforschung in Kursachsen
Offensichtlich handelt es sich hierbei um Personen einer Sippe, die zu dieser Zeit in der Siedlung/Kolonie Harting ansässig waren und deren gemeinsamer früher Vorfahre, als erster Besitzer und Gründer im 8. Jahrhundert, dieser alten bajuwa- rischen Siedlung auch den Ortsnamen Harting gegeben haben könnte. Der Kolonatsname Harting, vom ersten Besitzer entlehnt, blieb an den Grundstücken haften und ging dann auf dessen Nachfolger über. Andererseits könnte es bei den oben aufgeführten Rufnahmen Berthold, Otto, Bruno, Heinrich und Hermann Ulli, auch um später zugezogene Personen handeln, die zur Unterscheidung als Beinamen den Herkunftsort Harting als auffälliges Merkmal in den Urkunden erhalten haben. Da immer mehr Personen den gleichen Rufnamen trugen, war eine unmissverständliche Identifizierung des Einzelnen nicht mehr gewährleistet. Nach dem Sturz Heinrich des Löwen im Jahre 1180 brach plötzlich das mächtige sächsische Herzogtum zusammen, welches sich nun auf die Besitztümer des Grafen Bernhard von Askanien, ein Sohn des Sachsenherzogs Albrecht des Bären, beschränkte. Er vereinigte sein Erbland an der oberen Elbe um Wittenberg mit Lauenburg unter den Namen eines Herzogtums Sachsen. Nach dem Aussterben des Geschlechts der Askanier im Jahre 1422, erhielt Markgraf Friedrich I. der Streitbare von Meißen als königlicher Lehnsträger das Land und die Kurwürde. Der Landesname “Sachsen” wanderte damit elbaufwärts und wurde allmählich auch für die Marken Merseburg, Zeitz und Meißen gebräuchlich. Der politische Begriff Sachsen ist im Stammland der alten Sachsen von Nordwestdeutschland nach Mitteldeutschland verschoben worden, während die Altsachsen als Volk in Norddeutschland, heute Niedersachsen, verblieben. Aus den Erkanntnissen der Namenkunde und der geschichtlichen Entwicklung des mitteldeutschen Sachsens können wir annehmen, dass die Härtingschen Vorfahren während der großen deutschen Ostbesiedelung, etwa in den Anfängen des 13./14. Jahrhunderts als schwäbisch-bayrische Kolonialbauern, vermutlich aus dem Ort Ha(ä)rting, nach Sorben in die Marken Zeitz und Merseburg, dem heutigen Sachsen, übergesiedelt waren. Einige Urkunden aus dem 13./14. Jahrhundert deuten darauf hin, dass unsere Vorfahren möglicherweise von Nordbayern über Thüringen in die Marken Zeitz und Merseburg übergesiedelt sein könnten. Denn am 23. Juli 1280 trat erstmalig bei einem Grundstückskauf ein Hartung von Sachsenhausen b. Weimar in Thüringen als Zeuge auf. Ferner verkaufte am 4. Februar 1425 ein Hans Hertnick (wohl Hertinck) zu Buttelstedt b. Weimar alle seine Güter in Sachsenhausen, Leutenthal und Obringen für 200 Rheinische Gulden an Ludolf von Arnstdt in Zoppothen b. Saalburg. Diese Hertinckschen Güter wurden schließlich am 9. März 1427 durch Friedrich I., Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen und Pfalzgraf zu Sachsen dem Kloster Pforte b. Naumburg, zugeeignet. 3 Möglicherweise ist die Familie Hans Hertinck nach dem Verkauf ihrer Güter von Thüringen nach Sachsen in Richtung Naumburg, Zeitz und Pegau übergesiedelt. Denn auch in Naumburg und Zeitz haben sich Ha(e)rting-Namensträger laut den Türken- und Landsteuerregistern etwa Mitte des 16. Jahrhunderts niedergelassen, wie z. B.: > Mattes Hartting , 1551 in Naumburg, Langemergengasse , mit einem Vermögenswert von 135 n.ßo, zahlt 5 fl. 16 gr. 10 Pf. ….. Landsteuer und 1 fl. 9 gr. 5 Pf. Türkensteuer. > Bartel Herting , 1568 in Zeitz, in den Vorstetten vor dem Wasserthor , mit einem Vermögenswert von 5 n.ßo, zahlt 3 gr. 9 d. ….. Landsteuer für Haus und Hof.
Am 31.10.1095 treten Perhtolt de Hartingen mit seinem Vater Otto nebst weiteren 16 Personen als Zeugen in Regensburg auf, als Abt Pabo mit der Dienerin Machthild des Klosters St. Emmeram, Besitzungen zu Isling (Siedlung bei Regensburg) tauscht. Ferner treten im Jahre 1105 Perhtoldus de Hartingen nebst weiteren sechs Personen als Zeugen in Regensburg auf, als Enziman einen Leibeigenen als Censualen 2 übergibt.
> Bruno von Herting und Heinrich von Herting (1135 -1160).
Im Jahre 1155 treten Bruno und Vater Henricus de Hertingen nebst weiteren 16 Personen als Zeugen in Regensburg auf, als der Bistumsministerial Haward vom Abt Adalbert im Tausch gegen Besitz zu Harting ein Hof zu Gämelkofen (Siedlung bei Regensburg), ferner als Lehen ein Hof zu Helmprechting (Siedlung bei Regensburg) und einen Weingarten bei Schwabelweis (Siedlung bei Regensburg) erhält.
> Hermann Ulli von Herting (1219).
Im Jahre 1219 tritt Hermannus uillicus de Hertinge nebst weiteren 14 Personen als Zeugen auf, als Irnfrid von Dünzling (Siedlung bei Regensburg) seine Frau und seine Kinder als Censualen übergibt .
Bei den auf -ing endenden Familienamen handelt es sich zweifellos um die ältesten deutschen Sippennamen, die auf die ältesten deutschen Siedlungen der Bajuwaren (Markomannen), die sich während der Völkerwanderung über die Donau vorsto-
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Der Ort Härting bei Regensburg (Bayernkarte von Philip Apian 1568)